Auf fast jeder Baustelle kommt es zu Bauzeitverzögerungen. Dies ist immer wieder Anlass für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen. Insbesondere Auftragnehmer, die zum vertraglich vereinbarten Leistungszeitpunkt leistungsbereit waren und nun nicht leisten können, wollen ihre Vorhaltekosten ersetzt haben. Dies war schon immer juristisch schwierig.
Welche Ansprüche des Auftragnehmers bestehen bei Bauzeitverzögerungen?
Die Rechtsfolgen hängen davon ab, ob die VOB/B einbezogen ist oder nur das BGB gilt:
- § 2 Abs. 5 VOB/B Werden auf Anordnung des Auftraggebers die vertraglich vorgesehenen Leistungen, die Grundlage des Preises geworden sind, verändert, so ist ein neuer Preis und Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren.
- § 6 Abs. 6 VOB/B Bei Behinderungen bestehen Schadensersatzansprüche nur, wenn der Auftraggeber die Behinderung zu vertreten hat.
- BGB-Vertrag: Hier kommt insbesondere § 642 BGB zur Anwendung: Leistet der Auftraggeber notwendige Mitwirkungen nicht rechtzeitig, kann der Unternehmer eine Entschädigung verlangen – unabhängig von einem Verschulden.
Was versteht man unter „Anordnung“ im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B?
Eine Anordnung liegt vor, wenn der Auftraggeber einseitig das Leistungssoll ändert – etwa durch andere Materialien, zusätzliche Bewehrung oder eine geänderte Ausführungsart. Nach § 650b BGB umfasst das Anordnungsrecht nur Änderungen am Werk oder der Ausführungsart. Die Bauzeit gehört nicht dazu. Wird also lediglich die Ausführungsfrist verschoben, ist dies keine Anordnung im Rechtssinn. Keine Anordnung ist daher eine bloße Änderung des Bauablaufs oder von Terminplänen (BGH, Urteil vom 19.09.2024 – VII ZR 10/24). Terminplanänderungen allein begründen keinen preisändernden Nachtrag.
Welchen Vortrag hat der klagende Auftragnehmer zu leisten?
Nach § 6 Abs. 6 VOB/B kann der Auftragnehmer Schadenersatzansprüche wegen Behinderungen und Unterbrechungen der Ausführung nur dann erfolgreich geltend machen, wenn er folgende Voraussetzungen im Einzelnen vorträgt und beweist:
- über den geltend gemachten Zeitraum muss eine Behinderung tatsächlich vorgelegen haben und diese Behinderung muss in der Folge eine Verzögerung der Leistungen des Auftragnehmers herbeigeführt haben,
- die Behinderung muss nach § 6 Abs. 1 VOB/B angezeigt worden sein,
- die hindernden Umstände muss der Auftraggeber im Sinne einer schuldhaften Verletzung einer Mitwirkungspflicht zu vertreten haben, Obliegenheitsverletzungen genügen nicht,
- die Behinderung muss einen Schaden verursacht haben.
(Frechen in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 2313)
Die pauschale Angabe des geplanten und tatsächlichen Baubeginns reicht nicht aus, eine tatsächliche Behinderung substantiiert vorzutragen. Vielmehr muss der gesamte geplante und tatsächliche Zeitablauf gegenübergestellt werden (so wie viele OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019 – 2 U 81/19). Dies gilt im Übrigen auch für den Anspruch aus § 642 BGB (OLG Oldenburg, a.a.O.). Der BGH hat dies wie folgt zusammengefasst:
Der Auftragnehmer hat in einem Prozeß unter anderem schlüssig darzulegen, daß er durch eine Pflichtverletzung des Auftraggebers behindert worden ist. Der Senat hat bereits in seinem ersten Urteil in dieser Sache darauf hingewiesen, daß es grundsätzlich nicht ausreicht, eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorzutragen. Der Auftragnehmer muß vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Demjenigen Auftragnehmer, der sich durch Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert fühlt, ist es zuzumuten, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. Ist ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung nicht in der Lage, geht das grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftraggebers (Urteil vom 21. März 2002 – VII ZR 224/00, BauR 2002, 1249 = NZBau 2002, 381 = ZfBR 2002, 562).
(BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 –, BGHZ 162, 259-269, Rn. 13)
Wann hat der Auftraggeber eine Behinderung zu vertreten?
Selbst wenn es dem Auftragnehmer gelingt, Verzögerungen gegeben haben sollte, stellt sich die Frage, wann der Auftraggeber eine solche zu vertreten hat. Der Auftraggeber haftet nicht für eine möglicherweise unzureichende Bauaufsicht, da die Bauaufsicht keine Vertragspflicht des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer ist (BGH, Urteil vom 16.10.1997 – VII ZR 64/96). Auch haftet der Auftraggeber nicht für höhere Gewalt, wie Wettereinflüsse (Frechen in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020, Rn. 2313) und auch nicht für Verzögerungen durch Vorgewerke (BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98).
Fazit
Die Rechtsprechung des BGH aus September 2019 schafft Klarheit: geänderte Terminpläne sind keine Anordnungen. Unternehmer können daraus keine Nachträge nach § 2 Abs. 5 VOB/B ableiten. Stattdessen richten sich ihre Ansprüche nach den allgemeinen Regeln zur Bauzeitverzögerung: Fristverlängerung, Schadensersatz oder Entschädigung, je nach Vertrag und Ursache. Entscheidend ist daher stets die präzise Abgrenzung zwischen Leistungsänderung und reiner Bauzeitverschiebung.
Für alle Fragen rund um Ihren Bauvertrag nach VOB/B oder BGB steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Nils Gerloff, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht zur Verfügung.